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- Warum ist selbstgesteuertes Lernen derzeit so interessant?
- Wissensexplosion / Wissensveraltung
- Informations- und Kommunikationstechniken
- Perspektivenwechsel
- Selbststeuerung ist auf allen Stufen des Bildungssystems wichtig
- Was ist selbstgesteuertes Lernen?
- Was ist selbstgesteuert am selbstgesteuerten Lernen?
- Welche Anforderungen stellt selbstgesteuertes Lernen?
- Wie kann selbstgesteuertes Lernen gefördert werden?
- Zum selbstgesteuerten Lernen motivieren!
- Medien einsetzen!
- Schulentwicklung
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- Empfehlungen
Ein großer Vorzug der neuen Medien liegt in den Möglichkeiten des
selbstgesteuerten Lernens. Multimediale Anwendungen sind für selbstgesteuertes
Lernen geeignet, weil sie eine hohe Adaptivität in Bezug auf die Lernsituation
aufweisen. Sie ermöglichen die Eigenaktivität bei der methodischen und
inhaltlichen Auswahl durch die Lernenden und können auch kooperierende
Lernformen unterstützen. Dem Lernenden ist es dadurch möglich,
eigenverantwortlich mit den netzbasierten Informations- und Kommunikationsumgebungen
in der neuen Lernsituation umzugehen.
Die digitale Lernumgebung eröffnet viele neue Möglichkeiten gerade
für das selbstgesteuerte Lernen - weil sie es den Lernenden ermöglicht, relativ
leicht und schnell ihr Lernen selbst zu planen, in Gang zu setzen, zu
kontrollieren, zu evaluieren und das erworbene Wissen zu verwalten.
Neue Medien schaffen neue Möglichkeiten des Umgangs mit
Informationen und des Erwerbs von Wissen in Schule und Unterricht.
Der Modellversuch befasste sich mit der Integration von selbstgesteuerten
Lernphasen in den Unterricht der beruflichen Schule. Zugleich war eine
Veränderung des herkömmlichen Unterrichts intendiert - beides bedingt einander.
Das Vorhaben ging der Frage nach, ob und unter welchen Bedingungen
die Integration selbstgesteuerter Lernphasen in den Unterricht die
Herausbildung der Kompetenzen unterstützt, die für ein selbstgesteuertes und
entdeckendes Lernen notwendig sind.
Der Versuch orientierte auf eine kontrollierte Öffnung
traditioneller Lehr- und Lernstrukturen in Richtung problemorientierter
Lernumgebungen, kooperativer Lernarrangements, einer Selbststeuerung bei der
Zielsetzung und der Suche nach Lösungswegen sowie der Selbstverantwortung für
das Lernergebnis.
- Warum ist selbstgesteuertes Lernen derzeit so interessant?
- Das Thema „selbstgesteuertes Lernen“ genießt derzeit eine hohe
Wertschätzung. Im folgenden werden einige Gründe dargestellt, warum dies so
ist.
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- Wissensexplosion / Wissensveraltung
- In vielen beruflichen Bereichen führen gesellschaftliche,
technische und wissenschaftliche Veränderungen zu einer raschen Erneuerung bzw.
Veralterung beruflich relevanten Wissens. Dies führt zusammengenommen zu einem
großen Trainingsbedarf, der durch Lehr-/Lernformen, die nach dem
Schulklassenmodell funktionieren (ein Lehrer unterrichtet eine Gruppe von Lernenden,
wobei alle Beteiligten über längere Zeit physisch am selben Ort anwesend sind)
kaum mehr zu decken ist. Wenn Inhaltswissen schnell veraltet, dann ist es eine
wichtige Aufgabe der Schule, auch für die Entwicklung solcher Fähigkeiten und
Fertigkeiten Sorge zu tragen, die weiteres Lernen ermöglichen.
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- Informations- und Kommunikationstechniken
- Die Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechniken hat der Diskussion um selbstgesteuertes Lernen großen Auftrieb
gegeben, da nun Technologien – Stichwort Multimedia – zur Verfügung stehen, die
ein großes Potential für die Unterstützung selbstgesteuerten Lernens haben. Sie
schaffen durch ihre Möglichkeit, orts- und zeitflexibles Lernen zu
organisieren, häufig überhaupt erst die Voraussetzung für selbstgesteuertes
Lernen. Sie ermöglichen die Entwicklung reichhaltiger Lernumgebungen, etwa
durch die Integration von gesprochener / geschriebener Sprache, stehender und
bewegter Bilder. Sie lassen komplexe Lernaufgaben und Handlungsformen zu, z.B.
simulieren, visualisieren, präsentieren, kommunizieren. Allerdings: Dieses
Potential will erst realisiert sein. Es wäre falsch anzunehmen, dass der
Einsatz neuer Lerntechnologien gleich selbstgesteuertes Lernen garantiert.
Hinzu kommt, dass sie auf Seiten der Lernenden entsprechende Kompetenzen
erfordern.
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- Perspektivenwechsel
- Das Interesse am selbstgesteuerten Lernen ist auch
eine Folge des Wechsels vom Lehren zum Lernen.
- Selbststeuerung ist auf allen Stufen des Bildungssystems wichtig
- Die Fähigkeit, für den einen oder anderen Aspekt des Lernens
selbst Verantwortung zu übernehmen, ist auf allen Stufen des Bildungssystems
wichtig, zumal die jeweils nächste Stufe (allgemeine Bildung, berufliche Bildung
usw.) diese Fähigkeit in zunehmendem Maße voraussetzt.
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- Keines der hier vorgestellten Begründungsargumente für
selbstgesteuertes Lernen ist völlig neu. Tatsächlich wurden die meisten bereits
in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts (!) vorgetragen. Was die
derzeitige Diskussion um das selbstgesteuerte Lernen von früheren Diskussionen
unterscheidet, ist nach unserer Einschätzung zum einen der derzeit starke Druck
„von außen“, von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft auf die Schule, sich für
selbstgesteuertes Lernen zu öffnen. Zum anderen hat sich die technologische
Situation grundlegend geändert: Mit den heute verfügbaren Technologien
(Multimedia) kann man Umgebungen für selbstgesteuertes Lernen realisieren, von
denen frühere Generationen von Bildungsplanern, Instruktionsdesignern, Medienentwicklern
usw. „nur träumen“ konnten.
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- Was ist selbstgesteuertes Lernen?
- Selbstgesteuertes Lernen ist eine komplexe und facettenreiche
Tätigkeit. Es müssen Entscheidungen über Lernziele (woraufhin?), über Inhalte
(was?), über Lernressourcen (Medien, Lernmittel), über zeitliche Aspekte
(wann?) und über methodische Aspekte (Verarbeitung des Lerninhalts, wie?), über
die Art und Weise der Feststellung der Lernzielerreichung (Evaluation) des
Lernens getroffen werden.
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- Was ist selbstgesteuert am selbstgesteuerten Lernen?
- Wie viele der genannten Aspekte des
Lernens müssen / dürfen in der Verfügung der Lernenden stehen, damit man noch
von selbstgesteuertem Lernen sprechen kann? Der Facettenreichtum von Lernen
legt nahe, dass Selbststeuerung „pur“ und Fremdsteuerung „pur“ hinsichtlich
aller relevanten Facetten in der Praxis selten vorkommen. So verbleiben den
Lernenden auch im vorwiegend fremdgesteuerten Frontalunterricht Freiheitsgrade
der Selbststeuerung, etwa bei der Aufnahme und Verarbeitung des Stoffs. Selbst Autodidakten
setzen sich mit dem Griff zum
Lehrbuch oder zur Ratgeberliteratur der Didaktik eines anderen und
damit einer mehr oder minder milden Form der Fremdsteuerung aus.
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- Extreme Formen der Selbst- bzw. Fremdsteuerung beim Lernen sind
auch nicht sehr effektiv. Selbständiges Lernen ohne qualifizierte
Voraussetzungen auf Seiten der Lernenden führt zu Defiziten und zu
Misserfolgserlebnissen.
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- Die Realisierung des selbstgesteuerten Lernens führte zur
Änderung der Lehrerrolle, sie führt nicht zu einer Abwertung des Lehrerberufs
oder macht diesen gar überflüssig. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Lehrende,
die sich als Lernberater und Moderatoren für selbstgesteuertes Lernen bewährt
haben, sich durch hohes Fachwissen, große Geduld, Wissen über Lern- und
Lösungswege und die Fähigkeit zur Beurteilung des Lernfortschritts auszeichnen.
- Als Ergebnis unserer
Erfahrungen aus dem Modellversuch kann man festhalten: Selbstgesteuertes Lernen
ist nicht immer Selbststeuerung „pur“ und pädagogische „Profis“ sind beim
selbstgesteuerten Lernen keineswegs überflüssig.
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- Welche Anforderungen stellt selbstgesteuertes Lernen?
- Beim Lernen wird neue Information aufgenommen und in sozialen und
individuellen Verarbeitungsprozessen in Wissen transformiert. Hierfür sind die
folgenden Lernstrategien nützlich:
- Enkodierstrategien,
die dazu beitragen neue Information dauerhaft zu speichern. Eine der
besten Enkodierstrategien ist, etwas zu verstehen
zu versuchen. Dies erfordert einen aktiven Umgang mit dem neuen Wissen,
beispielsweise es mit vorhandenen Wissen zu verknüpfen, seine Struktur zu
analysieren, es auf das Wesentliche zu reduzieren, Schlussfolgerungen aus
dem neuen Wissen zu ziehen, es anzuwenden usw.
- Erhaltungsstrategien,
z.B. Wiederholen und Üben, die verhindern, dass bereits Gelerntes im
Gedächtnis „verblasst“ oder gar „zerfällt“.
- Abrufstrategien,
die den gezielten Abruf von Gelerntem aus dem Gedächtnis unterstützen,
z.B. durch die Nutzung von Gliederungen, Stichwortlisten, Schemata, und
anderen Abrufhilfen.
- Wissensnutzungsstrategien
wie z.B. Schreiben, Diskutieren / Argumentieren, Probleme lösen,
die die Anwendung des Gelernten unterstützen.
- Kontrollstrategien,
welche die situationsangemessene Planung („Wie packe ich dieses Problem
an?“), Überwachung („Das habe ich nicht verstanden!“) und Regulation („Das
muss ich nochmals versuchen“).
Diese Strategien des Wissenserwerbs und der Wissensnutzung sind
ein wichtiger Aspekt der sogenannten „Methodenkompetenz“ von Lernenden.
- Ob die Lernstrategien im konkreten Fall aktiviert werden, hängt in
hohem Maße von Motivationsbedingungen ab, sowohl von solchen, die in der Person
des Lernenden liegen, als auch von solchen, die in der Lernsituation liegen.
Hinzu kommt, dass beim Lernen „ich-nahe“ Gedanken und Empfindungen – Freude
über eigene Stärken wie Ausdauer, Zielstrebigkeit und Können, Frust über eigene
Schwächen wie Unaufmerksamkeit, Desinteresse, mangelndes Durchhaltevermögen –
das Selbstbild positiv oder negativ – im Wiederholungsfalle auch dauerhaft –
beeinflussen können.
- Beim Lernen interagieren wir in vielfältiger Weise mit unserer
Umwelt, beispielsweise indem wir Bücher und andere Medien nutzen, externe
Speicher anlegen (herkömmliche oder elektronische Notizen, Karteikarten,
Zettelkästen), unseren persönlichen Lernarbeitsplatz organisieren usw. All dies
kann mehr oder weniger gut geplant sein.
- Beim selbstgesteuerten Lernen besteht eine wichtige
„Managementaufgabe“ darin, die für das Lernen erforderliche Zeit bereit zu stellen.
Lernen muss mit konkurrierenden Aktivitäten abgestimmt und einzelne Lernphasen
müssen untereinander und in ihrem zeitlichen Verlauf koordiniert werden.
- Multimediale Lernumgebungen können die
Gelegenheiten zum selbstgesteuerten Lernen drastisch erweitern, indem sie den
Zugang zu Lernressourcen erleichtern und damit zeit- und ortsflexible
Wissenserwerbs- und Kommunikationsprozesse ermöglichen. Allerdings stellen sie
auch neue Anforderungen an die Lernenden. Begibt sich ein „Selbstlerner“ auf die Suche nach
Lernressourcen ins Internet, so erwartet ihn zunächst folgendes Problem:
- „Die Spreu muss
vom Weizen getrennt werden.“ Die wenigen Lernressourcen, die ihn wirklich
interessieren und weiterbringen, müssen von der Vielzahl der „Websites“
getrennt werden, die für ihn gegenstandslos sind. Dies stellt hohe
Anforderungen an seine Fähigkeit zur Relevanzeinschätzung, zur
Informationsselektion und -organisation – alles Aktivitäten, für welche
bei herkömmlichen Unterrichtsformen häufig Lehrende zuständig sind.
- die geistige
Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Lerngegenstand und die Bedienung der Technologie.
Insgesamt macht dies deutlich, dass selbstgesteuertes Lernen unter
den Bedingungen der Neuen Medien nicht nur hohe Anforderungen an die
Selbststeuerung stellt, sondern zusätzlich auch an die Medienkompetenz.
Neben der Medienkompetenz im engeren Sinne – verstanden als
Fertigkeit zum „passiven“ (z.B. surfen) und aktiven Umgang mit der Technologie–
spielt dabei die kritisch-konstruktive
Medienkompetenz ein wesentliche Rolle.
Die bisher dargestellten Komponenten selbstgesteuerten Lernens
sind alle noch kompatibel mit einem Verständnis selbstgesteuerten Lernens, bei
dem Lernende sich – mehr oder weniger allein auf sich selbst gestellt – mit dem
Lernstoff auseinandersetzen, liege dieser in Buchform oder als multimediales
Lernprogramm vor. Eine solche Sicht wäre jedoch stark verkürzt, da schulisches
Lernen zumeist in Anwesenheit anderer oder gar in gezielter Kooperation mit
anderen stattfindet.
Lernen in sozialer Interaktion ist eine jener Strategien beim
selbstgesteuerten Lernen, die das Lernen wirkungsvoll unterstützen können.
Welches sind nun die Vorzüge des Lernens in Gruppen?
- Lernen
in Gruppen ist häufig anregender als Einzellernen. Jeder
hat andere Ansichten, andere Vorkenntnisse, andere Ideen usw. Dies belebt
und bringt einen selbst auf neue Ideen. Nicht zuletzt ist der "Gruppenvorteil"
hinsichtlich der Kreativität und Qualität von Problemlösungen
zurückzuführen.
- Beteiligt man
sich aktiv am Gruppengeschehen, so kommt man nicht umhin zu argumentieren
und zu diskutieren. Dabei muss man sein Wissen
explizit machen. Dadurch werden Wissenslücken und
Verständnisschwierigkeiten offen gelegt. Das eigene Wissen wird so
getestet und dabei mehr oder minder stark ergänzt und verändert.
- Argumentieren und
Diskutieren in Gruppen erfordert, dass man Wissen verständlich vorträgt,
das man es strukturiert und organisiert, um die Diskussionspartner zu
überzeugen. Dies trägt ebenfalls zur Klärung und Stabilisierung des
eigenen Wissens bei.
- In Gruppen sieht
und hört man, wie andere sich verhalten, welche Problemlösungen sie
anzubieten haben. Man lernt durch Beobachtung.
- Eine Gruppe kann
die Lern- und Durchhaltemotivation steigern.
Eine gute Lerngruppe bietet soziale Unterstützung und trägt dazu bei, dass
man dabei bleibt. Die besten "Motivatoren" sind für Menschen
häufig andere Menschen!
- Schließlich:
Gruppensituationen sind nicht nur wichtige Wissenserwerbssituationen, sie
sind zugleich wichtige und häufige Anwendungssituationen.
Im beruflichen Leben besteht die Wissensanwendung häufig darin, anderen
etwas zu erklären und sie zu überzeugen.
Diese Argumente machen deutlich, dass soziale Interaktion
sozusagen alle der bisher behandelten Komponenten des selbstgesteuerten Lernens
– Wissenserwerb / Wissensanwendung, Motivation, Nutzung von Ressourcen –
beeinflussen kann. Doch diese Effekte stellen sich nicht von selbst ein. Auch
das Lernen in Gruppen muss aktiv organisiert werden.
- Wie kann selbstgesteuertes Lernen gefördert werden?
- Es gibt einige Gründe dafür, die gerade die berufliche Schule als
besonders geeignet für die Entwicklung der Fähigkeit zum selbstgesteuerten
Lernen erscheinen lassen:
- Die Langfristigkeit
schulischen Lernens: Selbstgesteuertes Lernen lässt sich nicht im Rahmen kurzfristiger
Maßnahmen realisieren, seine Vermittlung muss langfristig angelegt sein.
- Die
Möglichkeit zur Kombination von Inhalts- und Strategievermittlung:
Die berufliche Schule ist der Ort, an dem die Vermittlung von
Lernstrategien in Kombination mit der Vermittlung von Inhaltswissen
erfolgen kann.
- Die
Möglichkeit zum fachübergreifenden Transfer:
In der beruflichen Schule besteht die Möglichkeit, die Kompetenz zum
selbstgesteuerten Lernen fachübergreifend zu entwickeln.
- Zum selbstgesteuerten Lernen motivieren!
- Für die Förderung/Beeinflussung der Lernmotivation gibt es
prinzipiell zwei Ansatzpunkte: die Lernsituation und / oder die Person des
Lernenden. Im ersten Fall geht es darum, die Situation so zu gestalten, dass
sie Selbststeuerung anregt. Im zweiten Fall geht es darum, die Person so zu
beeinflussen, dass sie günstige Voraussetzungen, z.B. in Form von angemessenen
Zielsetzungen und Selbstbewertungstendenzen, zur Bewältigung von
Lernsituationen erwirbt.
- Medien einsetzen!
- Die Realisierung von Formen selbstgesteuerten Lernens führt
unausweichlich zur Umorganisation von Unterricht, zum Aufbrechen des Prinzips
der Gleichzeitigkeit („Alle tun zum gleichen Zeitpunkt dasselbe“). Die Klasse
organisiert sich für kürzere oder längere Zeit in Gruppen oder gar als
„Einzellerner“, die unterschiedliche Themen / Projekte anhand unterschiedlicher
Lernressourcen in unterschiedlichem Tempo bearbeiten. Dieses führt fast
zwangsläufig zum Medieneinsatz, da die Lehrerin / der Lehrer nicht gleichzeitig
bei allen Gruppen und allen „Einzellernern“ sein kann. Es müssen Quellentexte,
Lehrtexte, Anschauungsmittel, Arbeitsblätter, audiovisuelle Medien,
multimediale Lernprogramme usw. bereit gestellt, unter Umständen sogar selbst
produziert werden. Und
was genauso wichtig ist, die einzelnen Aktivitäten –
Lernschritte, individuelle / Gruppenaktivitäten, Lernaufgaben, Arbeitsaufträge,
Übungen, Auswertungsschritte, Präsentationen usw. – müssen zeitlich geordnet
und in einem sinnvollen Skript, einem Leittext so dokumentiert werden, dass
sich die Lernenden daran orientieren können. Welche Qualitätskriterien müssen nun Medien für selbstgesteuertes
Lernen erfüllen? Selbstgesteuertes Lernen erfordert Medien, die
Kognition, Motivation, und soziale Interaktion unterstützen, so dass die Lernenden weitgehend auf sich selbst gestellt damit zurechtkommen.
Wichtig für die selbstinstruktionale Qualität von Medien sind:
- Eine angemessene inhaltliche Gestaltung (angemessene
Auswahl und Gewichtung der Inhalte; nicht zu wenige, nicht zu viele
inhaltliche Überschneidungen zwischen Kapiteln, Begriffsverwendung
innerhalb und zwischen verschiedenen Kapiteln, thematisch
nachvollziehbarer Aufbau der Inhalte usw.).
- Ein angemessener
Einsatz von Wahrnehmungshilfen,
d.h. von Maßnahmen, die die automatisch ablaufenden Wahrnehmungsprozesse
steuern und unterstützen, z.B. Verwendung von Gestaltungsmerkmalen wie
Farbe, Typografie und anderen grafischen Elementen beim Design von Print
sowie Verwendung von Gestaltungsmitteln bei interaktiven Elementen von
Multimedia- und Webangeboten.
- Ein angemessener
Einsatz von Erschließungshilfen. Hierzu
zählen etwa Maßnahmen, die den Lernenden die Orientierung und den Zugang
zu gesuchten Informationen innerhalb einzelner
Medien erleichtern: im Falle von Printmaterial etwa eine klare Gliederung,
ein Stichwortverzeichnis, formal ähnlich aufgebaute Kapitel usw.; im Falle
von Multimedia Such- und Navigationshilfen, „geführte Touren“; bei
netzbasierter Kommunikation nachvollziehbare Ordnerstrukturen usw. Hierzu
zählen aber auch Orientierungshilfen für den Wechsel zwischen verschiedenem Arten von
Lernressourcen, z.B. beim Übergang von Lehrtexten zu Multimediaprogrammen.
- Ein angemessener
Einsatz von Verarbeitungshilfen.
Das sind Hilfen, die Verarbeitung und Anwendung des neuen Wissens
unterstützen. Hierzu zählen beispielsweise kognitive Vorstrukturierung,
eine verständliche Sprache, ausreichende und nachvollziehbare Beispiele,
Strukturierungs- und Reduktionshilfen wie Begriffshierarchien,
Flussdiagramme, Lernkontroll- und Problemlöseaufgaben, auf den Lerninhalt
abgestimmte Anregungen / Aufträge zur Gruppenarbeit usw.
(„Angemessen“ bedeutet hier, dass es
nicht darauf ankommt, alle erdenklichen Mittel zur didaktischen Optimierung von
Selbstlernmedien bis zur Neige auszuschöpfen, was letztendlich zum
„didaktischen Overkill“ führen würde, sondern dass es eher
darum geht, aus der Vielzahl der möglichen Gestaltungsmittel, die
für den jeweiligen Zweck geeigneten auszuwählen und diese einzusetzen.)
Medien für selbstgesteuertes Lernen sind in aller Regel nie so
perfekt gestaltet, dass alle Lernenden auf alle auftretenden organisatorischen
und inhaltlichen Fragen in den Medien selbst ausreichende Antworten finden.
Deshalb sollten Umgebungen für selbstgesteuertes Lernen immer auch eine
entsprechende Beratungs- und
Unterstützungskomponente enthalten.
Medien sind nicht schon deshalb einzusetzen, weil sie neu sind,
sondern deshalb, weil sich mit ihrer Hilfe bestimmte Ziele realisieren lassen,
und weil sie spezifische Funktionen erfüllen, die andere unterrichtliche Mittel
nicht erfüllen. Speziell was den Einsatz von Mutimedia und Internet als
Ressourcen für selbstgesteuertes Lernen betrifft, so sind hier schwerpunktmäßig
Lehrstrategien gefragt, die Eigenaktivität
und Kooperation der Lernenden stimulieren. Die
Grundzüge einer solchen Lehrstrategie sehen folgendermaßen aus:
- Wechsel von lehrerzentrierten zu schülerzentrierten Aktivitäten
(weniger Lehrervortrag),
- mehr Kleingruppenaktivitäten,
- weniger strukturierte Instruktion, mehr Aktivitäten,
- weniger individualisierte Konkurrenzsituationen, mehr kooperative
Aktivitäten,
- Kooperative themenbezogene Recherche / Informationssuche im
Internet mit anschließender Präsentation und Diskussion der Ergebnisse.
- Paralleles Problemlösen: Gruppen arbeiten zunächst unabhängig
voneinander an der Lösung eines Problems, tauschen dann später ihre Lösungen
und Ergebnisse aus und diskutieren diese
- Kooperative Produktentwicklung: Ein größeres Projekt wird in
Teilprojekte aufgeteilt.
- Jede Gruppe arbeitet parallel an Teilaufgaben.
- Arbeitsteilige Simulation eines Projekts, jede Gruppe hat einen
bestimmten Auftrag innerhalb des Ganzen zu erfüllen.
- Schulentwicklung
- Es dürfte aus den bisherigen Ausführungen offensichtlich sein,
dass es für eine nachhaltige Implementierung selbstgesteuerten Lernen in einer
beruflichen Schule nicht ausreicht, dass sich die einzelne Lehrerin, der
einzelne Lehrer dieses Themas annimmt. Diese müssen es selbstverständlich auch
tun! Wenn es aber nicht bei „Insellösungen“ bleiben soll, dann ist eine
explizite Politik auf Schulebene erforderlich, in der Ziele und Wege formuliert
werden, wie in der betreffenden beruflichen Schule das Thema „selbstgesteuertes
Lernen“ angegangen werden soll. Deshalb lautet die abschließende Empfehlung
hier - „Schulentwicklungsprozesse
einleiten!“
zu computergestützten Lehr- und
Lernstrukturen in der
beruflichen Schule
Das
Projektteam des Modellversuchs CLIBS hat auf der Grundlage der Erfahrungen des
Projektes und seiner Evaluation folgende Empfehlungen zur nachhaltigen
Implementierung der Projektergebnisse erarbeitet:
- Selbstgesteuertes
Lernen als durchgehende Lernkultur in den Unterricht aller Berufe zu
integrieren, dieses bedingt die Einführung von Lernfeldern und somit die
Auflösung der Fächerstruktur
- Schaffung einer
Lernumgebung in Form von
„Learning Centern“
bestehend aus Computerarbeitsplätzen, Lerninseln, Plenumsraum und
Handbibliothek um aus Angeboten aller Medien in einer offenen Struktur lernen
zu können
- Weitgehende
Abschaffung des Zeitregimes zugunsten längerer zusammenhängender Phasen für das
selbstgesteuerte Lernen
- Bildung von
„kleinen“ Lehrerteams je Beruf an den Schulen;
Schulung dieser Teams laut Konzept zum
„Transfer der Ergebnisse des Modellversuchs CLIBS zur Adaptierung der neuen
Lernkultur“
- Veränderung der
Organisation der Stundenplanung bzw. des Lehrereinsatzes zur Realisierung der
durchgehenden Betreuung des selbstgesteuerten Lernens durch die jeweiligen
Lehrerteams
- Planmäßige
Durchführung gemeinsamer Teamsitzungen zur Gestaltung der Lernumgebung
- Flexibilisierung
der Leistungsbewertung
Anpassung der Notenbildung an die
jeweilige Lernsituation
- Integration von
CLIBS im die 2. Phase der Lehrerausbildung durch effektivere Vorbereitung der
Referendare auf die veränderte Lehrerrolle sowie Verbesserung der
Medienkompetenz unter besonderer Berücksichtigung der sogenannten „Neuen
Medien“
- Veränderung der
Prüfungsordnung
Abschaffung der „programmierten
Prüfung“
Einführung von Prüfungen, die dem Schüler berufliche Handlungskompetenz
attestieren
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